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Berlin startet Bundesratsinitiative für Familienpflegegeld

Bundesratsinitiative Familienpflegegeld

Drei von vier Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt. Wer Angehörige pflegt, trägt oft eine schwere Last. Noch schwerer wird diese für Menschen, die daneben noch täglich zur Arbeit müssen. Aus diesem Grund will der Berliner Senat pflegende Angehörige finanziell entlasten. Ein Familienpflegegeld soll ähnlich wie das Elterngeld an Menschen gezahlt werden, die ihren Job eine Zeitlang der Pflege opfern. Eine entsprechende Bundesratsinitiative wurde letzten Monat vom Senat beschlossen.

Berlin startet Bundesratsinitiative für Familienpflegegeld

Drei von vier Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause betreut – zumeist von ihren Angehörigen. Von den 3,4 Millionen Pflegebedürftigen würden 2,6 Millionen daheim versorgt, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mit. Von diesen wiederum werden 1,75 Millionen allein durch Familienangehörige gepflegt. Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Franziska Giffey (SPD) sprach von einer „Leistung, die nicht hoch genug geschätzt werden“ könne. Pflegende Angehörige seien „wichtige Stützen in Familien und für die Gesellschaft und haben eine stärkere Unterstützung verdient“, erklärte die Ministerin. Der Berliner Senat fordert mehr finanzielle Unterstützung für pflegende Angehörige und startet dazu eine Bundesratsinitiative. Ziel ist die bundesweite Einführung eines Familienpflegegeldes ähnlich dem Elterngeld, wie Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) sagte. „Viele haben Schwierigkeiten, Pflege und Beruf zu vereinbaren, und müssen mit finanziellen Einbußen leben, weil sie ihre Arbeit für die Pflege einschränken oder ganz aufgeben“, so die Sozialdemokratin.

Ziel der Bundesratsinitiative: Familienpflegegeld soll pflegende Angehörige finanziell entlasten

 

Das Gebäude des Bundesrates in Berlin.
Das Land Berlin macht sich für ein Familienpflegegeld ähnlich dem Elterngeld stark und startet dazu eine Bundesratsinitiative.

Ziel sei es, pflegende Angehörige finanziell zu entlasten. Demnach sollen Menschen, die Familienmitglieder oder auch Bekannte pflegen, maximal drei Jahre von ihrer Arbeitsstelle freigestellt werden können. Gelten soll der Rechtsanspruch auf Freistellung – so der Vorschlag – ab einer Betriebsgröße von fünf Mitarbeitern. Die Betroffenen hätten nach der häuslichen Pflegezeit ein Rückkehrrecht in die Firma. Inwieweit auch pflegende RentnerInnen das „Familienpflegegeld“ bekämen, dazu äußerte sich der Berliner Senat nicht. Ähnlich das Modell bei der Familienpflegezeit: Auch hier können nach dem Vorschlag von Kalayci die Monate auf mehrere Angehörige verteilt werden. Und es könnten nicht nur Verwandte, sondern auch Freunde und Nachbarn sein, die sich um die pflegebedürftige Person kümmern. Ein Anspruch auf das Familienpflegegeld soll ab Pflegegrad 2 bestehen – dies ist auch der Grad, ab dem ein pflegebedürftiger Mensch überhaupt erst finanzielle Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung erhält. Die Berliner Pflegesenatorin sagte, dass eine Inanspruchnahme des Familienpflegegelds durch die pflegenden Angehörigen sich aber nicht negativ auf andere Pflegeleistungen auswirken dürfe. Das ist heute der Fall: Denn Pflegebedürftige können, wenn sie nicht stationär in einem Pflegeheim leben oder die Dienste eines professionellen ambulanten Pflegedienstes in Anspruch nehmen, ein sogenanntes Pflegegeld erhalten. Es entspricht aber nur der Hälfte der Leistungen, welche die Heime und Pflegedienste von der Pflegeversicherung erhalten. Gedacht ist das heutige Pflegegeld dafür, dass die pflegebedürftige Person ihre Aufwendungen bezahlen kann. Sehr viele Betroffene geben das Pflegegeld dann ihren Angehörigen, die sich um sie kümmern und oftmals deshalb im Beruf reduzieren oder sogar ganz aussetzen.

Pflegegeld und Pflegesachleistungen: Dieses Geld unterstützt pflegende Angehörige

Wer in Deutschland pflegebedürftig wird, dem steht – entsprechend der Bewertung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen – entweder Pflegegeld oder eine Vergütung für Sachleistungen zu. Damit ist das Geld gemeint, das ein professioneller Pflegedienst für die Pflegeleistungen abrechnen kann.

  • Wer Pflegegrad 1 hat, bekommt weder Pflegegeld noch Sachleistungen.
  • In Pflegegrad 2 gibt es 316 Euro Pflegegeld oder 689 Euro Sachleistungen pro Monat.
  • In Pflegegrad 3 gibt es 545 Euro Pflegegeld oder 1.298 Euro Sachleistungen pro Monat.
  • In Pflegegrad 4 gibt es 728 Euro Pflegegeld oder 1.612 Euro Sachleistungen pro Monat.
  • In Pflegegrad 5 gibt es 901 Euro Pflegegeld oder 1.995 Euro Sachleistungen pro Monat.

Geld oder Sachleistungen gibt es erst ab Pflegegrad 2. Bei Pflegegrad 5 – einem Gesundheitszustand, der in der Regel eine 24-Stunden-Betreuung erfordert – erhalten pflegende Angehörige monatlich 901 Euro Pflegegeld, während der Pflegedienst 1.995 Euro pro Monat für seine Leistungen abrechnen kann. Das Budget für Sachleistungen ist limitiert: Überschreiten Ausgaben für etwa den ambulanten Dienst und für Haushaltshilfen das Budget für Sachleistungen, springt nicht das Pflegegeld ein.

Familienpflegegeld in Verbindung mit einer Aufstockung der Rentenleistungen

„Neben Arbeit, Kindern und Haushalt auch die eigenen Eltern pflegen – für immer mehr Beschäftigte ist das der Alltag“, begründete Kalayci den Vorstoß. Vor allem Frauen übernähmen diese Aufgaben. „Viele haben Schwierigkeiten, Pflege und Beruf zu vereinbaren, und müssen mit finanziellen Einbußen leben, weil sie ihre Arbeit für die Pflege einschränken oder ganz aufgeben. Das ist nicht gerecht.“ Engelen-Kefer, ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) sieht dies genau so wie die Ministerin: „Drei Viertel der häuslichen Pflegekräfte sind Frauen in höherem Lebensalter, die ihre Erwerbstätigkeit stark einschränken oder ganz aufgeben müssen. In vielen Fällen ist Altersarmut vorprogrammiert. Diesen Menschen könne eine Familienpflegegeld analog dem Elterngeld helfen. Es müsse aber so ausgestaltet werden, dass Altersarmut wirksam bekämpft werden könne: „Hierzu ist auch eine Aufstockung der Rentenleistungen unabdingbar.“

Seit 2015 gibt es die Familienpflegezeit und Pflegeunterstützungsgeld für pflegende Angehörige

In der Vergangenheit gab es bereits erste gesetzliche Verbesserungen, um die Situation von pflegenden Angehörigen zu erleichtern: Seit 2015 gibt es die sogenannte Familienpflegezeit. So können sich Arbeitnehmer nach dem Pflegezeitgesetz für eine begrenzte Zeit von der Arbeit ganz freistellen lassen, um ihre nahen Angehörigen zu pflegen. Sie können für den akuten Notfall kurzfristig bis zu zehn Tage von der Arbeit fernbleiben, um das Wichtigste zu organisieren („kurzzeitige Arbeitsverhinderung“). Während dieser zehn Tage können Pflegende Angehörige Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegeversicherung beantragen. Es beträgt 90 Prozent des Nettolohns in dieser Zeit. Das Pflegeunterstützungsgeld gibt Familien eine finanzielle Sicherheit, so dass sie sich im Akutfall ohne große Einkommensverluste um ihre pflegebedürftigen Angehörigen kümmern können. Dauert die Pflege länger können pflegende Angehörige ihre Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf 15 Stunden pro Woche reduzieren. Außerdem können sie während der Familienpflegezeit ein zinsloses Darlehen vom Staat bekommen. Doch dieses nutzt kaum jemand, vermutlich, weil den Pflegenden die finanziellen Mittel fehlen, das Geld später zurückzuzahlen. Das Gesetz gilt zudem nur für Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern. Die zehn Freistellungstage müssen aber auch in Kleinbetrieben gewährt werden.

Pflegende Angehörige an Belastbarkeitsgrenze angekommen

eine pflegende Angehörige schaut zusammen mit ihrer Mutter, die im Rollstuhl sitzt, aus dem Fenster und zeigt ihr etwas.
Pflegende Angehörige brauchen mehr Unterstützung. Sie steht am Rande ihrer Kräfte: Viele der 2,5 Millionen pflegenden Angehörigen sind nach dem Pflegereport der Barmer Ersatzkasse zufolge überfordert, gestresst oder selbst krank.

Es ist gut und überfällig, dass mit diesem Vorstoß die oft schwierige finanzielle Situation von pflegenden Angehörigen aufgegriffen wird. Nach Angaben der Senatorin pflegen schätzungsweise 200 000 Berliner einen Angehörigen zu Hause. 2,9 Millionen Pflegebedürftige werden in Deutschland zu Hause versorgt, zumeist von Angehörigen. Etwas mehr als die Hälfte dieser Pflegepersonen sind Frauen, davon sind jeweils die Hälfte Ehefrauen, die ihre Männer pflegen, oder Töchter, die sich um ein Elternteil kümmern, berichtet der „Pflegereport“ der Barmer Ersatzkasse. Näheres über den Pflegereport der Barmer Ersatzkasse finden Sie in dem Artikel: „Pflegende Angehörige an Belastbarkeitsgrenze nagekommen“ Nur ein Drittel der Pflegepersonen sind berufstätig, jeder Vierte hat wegen der Pflege die Arbeit aufgegeben oder reduziert. „Pflegende Angehörige sind eine tragende Säule der pflegerischen Versorgung in Deutschland und brauchen unsere Unterstützung“, unterstrich die Senatorin.

Neue Optionen durch das Familienpflegegeld für pflegende Angehörige

Das Familienpflegegeld könnte neue Optionen eröffnen, wenn der Vater oder die Mutter pflegebedürftig werden und die berufstätige Tochter oder der Sohn vor der Frage stehen, ob sie sich eine begrenzte Auszeit für die Pflege leisten können oder nicht. Die gesamte Pflegedauer dürfte damit in vielen Fällen zwar nicht abgedeckt werden: Sie liegt im Schnitt bei 4,4 Jahren. Irgendwann steht dann wohl doch ein Umzug ins Heim an. Aber jeder Aufschub ist gut. Die Initiative verdient eine breite politische Diskussion.

Die Bundesratsinitiative zum Familienpflegegeld verdient eine breite politische Diskussion

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sowie der Familienbund der Katholiken begrüßten die Berliner Bundesratsinitiative. Beide Verbände sprechen sich für die Einführung eines Familienpflegegeldes aus. Patientenschützer Eugen Brysch betonte, die Berliner Bundesratsinitiative dürfe keine Absichtserklärung bleiben. Notwendig sei ein konkreter Gesetzesentwurf. Allerdings ist unklar, ob sich andere Länder dem Antrag Berlins anschließen werden. Nur ein vom Plenum der Länderkammer beschlossener Entwurf zwingt die Bundesregierung zum Handeln. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat an die Bundesländer und die Bundesregierung appelliert, sich dem Berliner Vorschlag für ein Familienpflegegeld anzuschließen. „Bei steigendem Pflegebedarf mit zwischen vier und fünf Millionen pflegenden Angehörigen für etwa die gleiche Anzahl von Pflegebedürftigen ist dies längst überfällig“, sagte die Berliner Landesvorsitzende des Verbandes, Ursula Engelen-Kefer, am Mittwoch.

Hat der Vorstoß auf Familienpflegegeld eine Chance auf eine Mehrheit im Rat?

Die Kosten von geschätzt einer Milliarde Euro im Jahr sollen nach den Berliner Plänen der Bund übernehmen. Ob der Vorstoß eine Chance auf eine Mehrheit hat, ist offen. Sollte die Länderkammer einen Gesetzentwurf beschließen, wäre dann der Bundestag am Zug. Die Kosten, die der Bund tragen soll, schätzte Kalayci auf etwa eine Milliarde Euro jährlich.

Weitere Bundesratsinitiative soll Leiharbeit in Pflege eindämmen

https://www.youtube.com/watch?v=lOJsvHIa6IU Der Verstoß für ein Familienpflegegeld ist nicht die einzige Bundesratsinitiative zum Thema Pflege, die von Berlin vorangetrieben wird. In einer weiteren will Berlin gegen die zunehmende Leiharbeit in der Pflege vorgehen. Wenn jeden Tag eine andere Person sich um die kranken oder alten Menschen kümmere, gefährde das auch die Patientensicherheit, so Senatorin Kalayci. Zudem würden sich durch die steigende Leiharbeit die Arbeitsbedingungen für das Stammpersonal verschlechtern. „Wir beobachten, dass sich Leiharbeit zu einem eigenen Sektor in der Pflege entwickelt. Das gibt Anlass zur Sorge“, sagte die Senatorin. Durch Leiharbeit seien Patientensicherheit und Qualität gefährdet, die Belastung für die festangestellten Pflegekräfte steige. Denn Leiharbeiter könnten sich ihre Arbeitszeit aussuchen, Festangestellte müssten dagegen den 24-Stunden-Betrieb einer Klinik absichern. Folge: Immer öfter wanderten Pflegefachkräfte zu Leiharbeitsfirmen ab. Darüber hinaus sei in der Regel ist die Bezahlung viel besser. Einen Schlüssel, um den Trend zu stoppen, sieht Kalayci in einer besseren Bezahlung der Pflegekräfte schon in der Ausbildung. Der Stellenwert des viele Jahre von der Politik vernachlässigten Pflegeberufs müsse steigen. In Berlin ist der Anteil von Leiharbeitern an Kliniken höher als im Bundesdurschnitt. Er liegt laut Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) bei sieben Prozent. In einigen Fällen würden 30 Prozent einer Schicht durch Zeitarbeiter besetzt. Daher begrüßte der Verband den Senatsvorstoß. Doch nicht nur die Bezahlung der Pflegekräfte in der Ausbildung soll deutlich besser werden. Auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege sollen sich generell verbessern – mit einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag zum Beispiel. Einen Tarifvertrag für die Altenpflege verhandeln derzeit einige Arbeitgeber zusammen mit der Gewerkschaft ver.di. Ob dieser aber tatsächlich allgemeinverbindlich erklärt werden könnte – für eine solche Maßnahme durch das Arbeitsministerium sind verschiedene formale Voraussetzungen nötig – ist aber ungewissen. Offen ist auch, ob die Bundesratsinitiative zur Eindämmung von Leiharbeit in der Pflege erfolgreich sein wird. Ursprünglich verfolgte SPD-Frau Kalayci das Ziel, Leiharbeit in der Pflege zu verbieten. Das stieß aber vor allem beim grünen Regierungspartner auf Vorbehalte, so dass nun von Eindämmung die Rede ist. Die Leiharbeitsbranche selbst kritisiert die Pläne schon länger.

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