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Kur für Pflegende Angehörige: So bekommen Sie eine Kur bewilligt

Eine pflegende Angehörige liegt auf einer Massagebank und lässt sich den Kopf massieren.

Wer einen Angehörigen pflegt, ist meist im Dauereinsatz, bräuchte eigentlich dringend eine Kur. Denn Angehörige zu pflegen, kann krank machen. Seit 2019 soll es leichter werden, eine Kur für pflegende Angehörige bewilligt zu bekommen. So geht es!

Gute Gründe für eine Kur für pflegende Angehörige

Wer einen Angehörigen betreut, ist mit der Pflege und Fürsorge zeitlich stark eingebunden. Tun, tun, tun und doch nie fertig werden. Dieses Gefühl verfolgte Simone Schlegel (Name von der Redaktion geändert) ständig. Nachts lag sie wach und dachte: „Ich muss für Papa morgen noch Essen vorkochen, dann einen Termin beim Arzt machen und mich noch um dies und das kümmern.“ Seit dem Schlaganfall vor vier Jahren kümmert sich Simone Schlegel um ihren pflegebedürftigen Vater. Irgendwann stellte sie fest: Ich stehe nur noch unter Stress und bekomme meinen Kopf einfach nicht mehr frei. Wie Simone Schlegel geraten immer mehr pflegende Angehörige an ihre Grenzen. Sowohl körperlich als auch psychisch. Denn sie schuften und sorgen sich und gönnen sich keine Auszeit. So lange bis sie irgendwann selbst nicht mehr können. Eine Kur für pflegende Angehörige kann hier Abhilfe schaffen.

Angehörige leiden unter schwerer Belastung – Anspruch auf Kur für pflegende Angehörige ist nachvollziehbar

Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen in Deutschland werden von Angehörigen versorgt. Was das heißt, dokumentiert der jüngste Pflegereport der Barmer: Für 85 Prozent der pflegenden Angehörigen bestimmt die Pflege den Alltag. Die Hälfte von ihnen kümmert sich täglich mehr als zwölf Stunden um den Pflegebedürftigen. 54,9 Prozent leiden unter Rückenschmerzen, 48,7 Prozent unter psychischen Störungen.  

Infografik: Pflegende Angehörige kränker als nicht Pflegende.
23,4 Prozent der pflegenden Angehörigen leiden unter Depressionen.
  Um daran etwas zu ändern, haben pflegende Angehörige Anspruch auf eine Kur. Allerdings ist diese Vorsorge- oder Reha-Maßnahme kaum bekannt und bislang galt der Grundsatz: Es mussten ambulante Maßnahmen ausgeschöpft sein und erst dann wurde eine Kur genehmigt. Diese Vorgabe fällt jetzt weg!

Kur für pflegende Angehörige ab 2019

Seit dem 1. Januar 2019 können pflegende Angehörige auch dann eine Kur, also eine stationäre Reha-Maßnahme, in Anspruch nehmen, wenn eine ambulante Versorgung ausreichend wäre. Die Kur dauert drei Wochen. Auf dem Programm stehen Therapien, Sport, Entspannung und Stressbewältigung, in Gruppen- und Einzelgesprächen wird die Pflegesituation in den Blick genommen. „Viele pflegende Angehörige haben nur noch den Pflegebedürftigen im Blick und verlieren sich dabei selbst“, sagt Susanne Knörle, Therapeutin in der Fachklinik St. Marien. Gemeinsam wird von außen auf die Pflege geguckt: Wie sieht der Alltag aus? Und wie geht es mir damit? Katrin Almann (Name von der Redaktion geändert) pflegt seit drei Jahren ihren Mann. Er sitzt im Rollstuhl, hat etliche körperliche Behinderungen und ist Bluter. In der Kur kann Katrin Almann endlich mal entspannen, die Seele baumeln lassen, für drei Wochen. Vorhin hat sie eine Fangopackung bekommen, war davor beim Nordic Walking und beim Gedächtnistraining. Jetzt schwingt sie einen Gymnastikring: „Ich genieße es einfach, was man mir hier anbietet und ich nehme alles mit. Ich sage zu keiner Anwendung Nein. Ob es Walken ist, Schwimmen, ich mach alles, Qi Gong. Es ist einfach super.“ Sie brauchte ein paar Tage, bis sie bei der Kur zur Ruhe kam, bis sie ihre Situation zuhause reflektiert hatte. Doch schon nach ein paar Tagen wirkt sie entspannter, ausgeglichener und man spürt, wie sie vom Stress der Pflege langsam runterkommt.

So beantragen pflegende Angehörige eine Kur

Die Kur muss von einem Arzt verschrieben und von der Krankenkasse genehmigt werden. Wichtig ist, dem Arzt ausführlich von den eigenen Belastungen im Pflegealltag zu erzählen. Plötzliche Weinanfälle und häufige Rücken- und Kopfschmerzen können die Alarmzeichen sein, dass der Körper im Notfallprogramm läuft und dringend eine Auszeit braucht. Oder, wie bei Simone Schlegel, das Gefühl, einfach nicht mehr zu können, ständig für den anderen da sein zu müssen und nie mehr aus dem Hamsterrad heraus zu kommen. So sah es auch bei Frau Almann aus: „Mein Mann hat Pflegestufe 4. Und ich mach für meinen Mann alles. Ich dusche ihn, ich wasche ihn, ich helfe ihm beim Anziehen, beim Aus-dem-Bett-Gehen, einfach so alles, was man machen muss. Reißverschluss zumachen oder Knöpfe zumachen, das geht gar nicht. Da muss ich schon rund um die Uhr bei ihm sein.“ Bis sie endlich die Reißleine zog, zu ihrem Hausarzt ging und mit ihm zusammen eine Kur beantragte.

Antrag auf Kur für pflegende Angehörige: Wie oft ist das möglich?

Der Arzt sollte in der Verordnung detailliert darlegen, welche gesundheitlichen Probleme aus der Pflege resultieren. Das Attest wird zusammen mit einem Antrag bei der Krankenkasse eingereicht. Dabei holt man sich am besten Hilfe bei einer Kurberatung oder bei einer Klinik, die eine Kur für pflegende Angehörige anbietet. Dort erfährt man auch, wie oft eine Kur für pflegende Angehörige in Anspruch genommen werden kann. Die Krankenkasse prüft den Antrag zur Kur für pflegende Angehörige und schickt in der Regel innerhalb eines Monats den Bescheid. Lehnt sie den Antrag ab, hat man vier Wochen Zeit, Widerspruch einzulegen.

Schritt für Schritt-Anleitung zur Reha oder Kur für pflegende Angehörige

  • Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt. Kommt eine Reha oder eine Kur für pflegende Angehörige für Sie in Frage? Kann er Ihren Bedarf medizinisch begründen?
  • Füllen Sie – evtl. gemeinsam mit Ihrem Hausarzt – das Antragsformular aus und reichen Sie es bei Ihrer Krankenkasse ein. Das Formular können Sie z. B. bei der Deutschen Rentenversicherung kostenlos herunterladen.
  • Ihr Kurantrag wird durch den MDK, den Vertrags- oder Amtsarzt geprüft und idealerweise bewilligt.
  • Sorgen Sie für eine Ersatzpflegekraft, die in Ihrer Abwesenheit die Pflege übernimmt.

Wer übernimmt die Kur-Kosten?

Für eine Rehabilitation sind unterschiedliche Träger zuständig:

  • Bei pflegenden Angehörigen, die nicht (mehr) berufstätig sind, kommt in der Regel die Krankenkasse für die Kosten auf.
  • Berufstätige pflegende Angehörige fallen normalerweise in die Zuständigkeit der Rentenversicherung.
  • Ist die Reha aufgrund eines Unfalls notwendig, muss die Unfallversicherung zahlen.

Mütter mit Kindern unter 18 Jahren im gemeinsamen Haushalt, können eine Mütterkur mit Schwerpunkt Pflege in Anspruch nehmen. Hier ist wiederum die Krankenkasse zuständig.

Wer versorgt die zu pflegende Person während der Kur?

Bewilligt die Kasse die Kur, stellt sie eine Liste möglicher Kurkliniken bereit. Spätestens jetzt muss die Versorgung des Pflegebedürftigen organisiert werden. Er kann zum Beispiel über die Kurzzeitpflege oder über eine Ersatzpflege betreut werden. Manche Kurkliniken bieten an, den Pflegebedürftigen mit in eine Unterkunft aufzunehmen. „Wir ermutigen Pflegende, möglichst alleine zu kommen, weil es ihnen sonst sehr schwer fällt loszulassen. Genau das ist aber wichtig“, sagt Anne Schilling vom Müttergenesungswerk, das Kuren für pflegende Angehörige anbietet.

Die Kurzzeitpflege

Bei der Kurzzeitpflege zieht der Pflegebedürftige vorübergehend in ein Pflegeheim. Die Pflegeversicherung beteiligt sich ab Pflegegrad 2 mit bis zu 1612 Euro an den Kosten für die Pflege und Betreuung.

Die Verhinderungspflege

Bei der Verhinderungspflege übernimmt eine Ersatzkraft die Aufgaben des pflegenden Angehörigen in der eigenen Unterkunft des Pflegebedürftigen. Die Pflegeversicherung übernimmt in diesem Fall die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr. Voraussetzung:

  • Die pflegebedürftige Person verfügt über mindestens Pflegegrad 2.
  • Die pflegebedürftige Person wurde mindestens sechs Monate in ihrer häuslichen Umgebung von Ihnen gepflegt.

Weiter Infos über die Verhinderungspflege finden Sie in dem Artikel: Bezahlte Auszeit für pflegende Angehörige

Fazit nach der Kur

Buddha Figur umgeben von Kerzen, einer Lotusblüte im Wasser und Bambus im Hintergrund.
Wichtig ist, als pflegender Angehöriger auch an sich zu denken. Sonst sind Sie der Aufgabe bald nicht mehr gewachsen.
  Viele Pflegende verlassen für die Kur das erste Mal die Pflegesituation. Und sehen plötzlich: Es geht. Das macht Mut, andere Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen. Die Frage „Wie lässt sich die Pflege künftig so gestalten, dass sie mich weniger belastet“ ist ein zentrales Thema der Kur. „Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, immer dieses Gefühl, noch mehr tun zu müssen“, sagt Simone Schlegel. „Während der Kur habe ich verstanden: Diese ganze Aufopferung bringt nichts. Ich muss mich um mich selbst kümmern, sonst kann ich nicht auf Dauer pflegen.“

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